

Bäume und Wälder haben eine umfassende, gesamtgesellschaftliche Bedeutung – zum Beispiel in Hinblick auf Klima, Holzproduktion, Erholung, Tourismus und Biodiversität. Verantwortliche für Baumbestände geraten jedoch immer mehr unter Druck, da in der Praxis erhebliche Rechtsunsicherheiten und Haftungsängste bestehen. Die Folge ist ein zunehmendes vorsorgliches Fällen und Zurückschneiden von Bäumen – primär um haftungsrechtliche Risiken zu reduzieren. Diese präventiven Eingriffe in Bäume und Baumbestände haben negative Auswirkungen auf deren Funktionen und stehen den mannigfaltigen Interessen an vitalen, natürlichen Baumbeständen entgegen.
An der Initiative wirken zahlreiche Institutionen mit, darunter: Österreichischer Städtebund, Österreichischer Gemeindebund, Land Wien (Fachbereiche Forst, Umwelt, Stadtgärten, Gewässer), Nationalparks Austria, Österreichische Gartenbau-Gesellschaft, Umweltdachverband, Umweltanwaltschaften, kommunale Dienstleistende, Fachdienststellen der Bundesländer.
Neuer Leitfaden
Mehr Rechtsicherheit für Baumverantwortliche
vl. Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky und Justizministerin Alma Zadić. Copyright: PID/Martin Votava
Justizministerin Alma Zadić und Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky konnten nun einen gemeinsam erarbeiteten Meilenstein für einen besseren Schutz von Bäumen vor überzogenen Sicherheits-Schnitten präsentieren: Den „Leitfaden Baumsicherheitsmanagement – Bäume sichern und erhalten“. …
Weiterführende Informationen
Zitat aus dem türkis-grünen Regierungsprogramm

Mehr Rechtssicherheit für Baumverantwortliche
Ausgangslage
Bäume haben einen enormen ökologischen, gesellschaftlichen und auch wirtschaftlichen Wert: Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz, indem sie CO2, ebenso wie Luftschadstoffe und Staub, binden. Gleichzeitig tragen sie entscheidend zur Minderung der Klimawandel-Folgen bei: Sie spenden Schatten, kühlen, helfen Regenwasser im Boden zu binden, verlangsamen bei Starkregen den Ablauf und können dadurch Überflutungen oder Hangrutschungen verhindern. Sie sind wertvoller Lebensraum für zahlreiche Tierarten; selbst ihr Totholz bietet vielen Insekten, Vögeln und Fledermäusen Nahrung und Unterschlupf. Darüber hinaus sind Bäume die Basis für Lebensqualität. Ihr wirtschaftlicher Wert liegt nicht nur in der Holzgewinnung, sondern sowohl Einzelbäume als auch Wald sind wesentliche Faktoren für Wohlfühlen und landschaftliche Schönheit in einem Tourismusland wie Österreich.
Und doch bringt die Entwicklung der letzten 15 Jahre unsere Bäume und Wälder unter massiven Druck: Alte, großkronige Bäume in Parks und an öffentlichen Plätzen werden zunehmend zurückgeschnitten oder gleich gefällt bzw. durch junge Säulenbäumchen ersetzt, Alleen verschwinden schrittweise aus dem Straßenraum, kleine Waldwegerln werden zu breiten „Wandertrassen“ freigeschnitten, an Forststraßen und Landstraßen alle Bäume beidseitig auf Flächen im Ausmaß von ca. 25 m – das entspricht in etwa einer Baumlänge – entfernt.

Im Bereich der Haftung für Bäume und Wälder muss die Tendenz beobachtet werden, dass die betroffenen Verkehrskreise das Risiko einer Haftung für einen Schadensfall – trotz an sich zurückhaltender Rechtsprechung – überbewerten. In der Praxis führt das dazu, dass die potenziell Haftungsverantwortlichen zum Teil überbordenden Vorsichtsmaßnahmen treffen, die in ihrer Intensität keine Grundlage in den rechtlichen Gegebenheiten finden. Dies hat nicht nur eine Fehlallokation von Ressourcen zur Folge, sondern vor allem den Verlust gesamtgesellschaftlich höchst bedeutsamer ökologischer Werte, nämlich die Verminderung von Wald- und Baumbestand aus Sorge vor einer möglichen Haftung.
(Auszug aus den Thesen, die beim Symposium „Baumsicherung“ in Hainburg 2019 erstellt wurden, siehe unten.)
Um hier gegenzusteuern, wurde seitens der Stadt Wien die Plattform „Zukunft mit Bäumen – Bäume mit Zukunft“ initiiert, die inzwischen bereits von mehr als 35 Institutionen unterstützt wird: Vertretungen großer Forstbetriebe, NGOs, öffentliche Verwaltungen, Naturschutzorganisationen, Schutzgebietsverwaltungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Vertreterlnnen der Normenausschüsse Baumpflegerinnen und Baumpfleger, Umweltanwaltschaften sowie der Städte- und der Gemeindebund.
Projektstudie zu Haftungsfragen
Die Autorinnen und Autoren belegten darin, dass die derzeitige Gesetzeslage in Bezug auf Baumhaftung in Österreich zu einer uneinheitlichen Judikatur führt. Insbesondere Einzelfälle, führen zu einer Verunsicherung betreffend die Haftung von Baum- und Waldbesitzerinnen und -besitzern. Inhalt der Studie sind zudem konkrete Vorschläge zu Gesetzesänderungen in ABGB und Forstgesetz.
UBA-Studie: Ein Viertel aller Baumbestände betroffen
Schwerpunkte der Plattform „Zukunft mit Bäumen – Bäume mit Zukunft“
- Darstellung, welche enorme ökologische Bedeutung Baum- und Waldbestände haben und welche Herausforderungen durch den Klimawandel entstehen. Ihre ökologischen und gesundheitlichen Wirkungen, gerade auch angesichts der neuen klimatischen Verhältnisse, stehen dabei im Fokus.
- Mehr Achtsamkeit, Eigenverantwortung und Bewusstseinsbildung bei den Verantwortlichen sollen erreicht werden.
- Unterstützung der erforderlichen gesetzlichen Klarstellungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) und im Forstgesetz:
Im ABGB soll sichergestellt werden, dass Bäume nicht mehr, wie bisher, wie Gebäude, sondern als Naturgebilde beurteilt werden. Derzeit besteht die absurde Situation, dass in Haftungsfragen Bäume wie Gebäude mit all ihren Sicherheitsbestimmungen behandelt werden. Diese rechtliche Grundlage hat entscheidende Konsequenzen in Haftungsfragen. Im Forstgesetz soll eindeutig geregelt werden, dass für waldtypische Gefahren nicht gehaftet wird. Analog wie zum Beispiel bei Lawinenwarnungen sollte klar sein, dass sich bei schweren Stürmen niemand im Wald aufhalten sollte. - Erarbeitung eines gemeinsamen Leitfadens, der allen Baumverantwortlichen wesentliche Informationen vermitteln sowie einen achtsamen und vor allem nachhaltigen Umgang mit Baumbeständen ermöglichen und Rechtsicherheit bieten soll. Der Leitfaden soll eine klare Vorgangsweise für Baumverantwortliche festlegen damit diese bei der Baumpflege auf der sicheren Seite sind und gleichzeitig Baumbestände erhalten bleiben.
- In der Lehre für zukünftige Baumsachverständige ansetzen: Die ökologische Bedeutung von Bäumen und das Ziel derer Erhaltung in der Baumpflege soll verstärkt in die Lehrinhalte der Ausbildungen einfließen.
- Regelmäßige Abhaltung von Fachtagungen und Symposien zum Wissens- und Informationsaustausch und um neue innovative Lösungsansätze zu erarbeiten.

- Wiener Gemeinderatsbeschluss 2013
Beschluss betreffend Änderung der Wegehalterhaftung im ABGB mit Fokus auf Schutzgebiete. - Wiener Landtagsbeschluss 2016
Beschluss betreffend Änderung der Wegehalterhaftung im ABGB und im Forstgesetz auf Basis der Ausführungen der Studie von Frau Prof. Erika Wagner (et al). - LandesumweltreferentInnenkonferenz in den Jahren 2016, 2018, 2019, 2020
Beschlüsse betreffend umweltrelevante Haftungsfragen: Änderung des ABGB, des Forstgesetzes 1975 und des Wasserrechtsgesetzes 1959 mit dem Ziel den Baum- und Waldbestand vor überschießenden haftungsbedingten Fällungen zu schützen und die Eigenverantwortung der Einzelnen zu stärken. - LandesnaturschutzreferentInnenkonferenz 2019
Beschlussfassung betreffend Änderung des ABGB, des Forstgesetzes 1975 und des Wasserrechtsgesetzes 1959 mit dem Ziel, Bäume und Wald in ihrer umfassenden Funktion für die Umwelt und Gesellschaft zu erhalten. - Niederösterreichischer Landtag 2019
Verabschiedung einer Landtagsresolution betreffend Änderung der Baumhaftungsregelung und Stärkung der Eigenverantwortlichkeit bei Nutzung des Waldes.